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Die Beratungsstelle hat im Jahr 2022 eine Kampagne zur Unterstützung von Betroffenen sexualisierter Gewalt gestartet.

Angesichts der polarisierenden öffentlichen Diskussionen zum Thema sexualisierte Gewalt und des in sozialen Medien häufig zu beobachtenden victim blaimings erscheint es umso dringlicher, diese Kampagne weiter zu führen. In den nächsten Wochen möchten wir auf unseren social media-Kanälen einige zentrale Hinweise, wie Betroffene unterstützt werden können, noch einmal aufgreifen.

Hintergrund der Kampagne

Es gibt einen Mechanismus, der sich durch die jahrzehntelange Debatte zum Thema sexualisierte Gewalt zieht: die Tendenz, Berichte und Aussagen von Betroffenen grundsätzlich in Zweifel zu ziehen und eine starke Polarisierung von Positionen, wenn Fälle öffentlich diskutiert werden. Berichte von Betroffenen erzeugen häufig Abwehr, Unsicherheit und zum Teil heftige Gegenreaktionen. Sexualisierte Gewalt wird häufig verharmlost, geleugnet oder als individuelles Problem eingestuft. Und es geht hier nicht darum, rechtsstaatliche Prinzipien, die Unschuldsvermutung in Strafverfahren oder die Rechte von Beschuldigten in Frage zu stellen. Es geht darum, dass der Gedanke nicht zugelassen wird, dass sexualisierte Gewalt stattfindet, gerade wenn es im sozialen Nahraum passiert. Es geht um die um die Bewertung und Verurteilung des Verhaltens von Betroffenen, selbst wenn Taten nachgewiesen sind. Es darum, dass häufig nicht die Sanktionierung einer Gewalttat im Mittelpunkt steht oder die Frage, was die Gesellschaft und Institutionen präventiv und zum Schutz von Opfern tun müssen, sondern dass stattdessen Betroffenen erklärt wird, wies sie sich hätten verhalten oder kleiden müssen oder welche Situation sie meiden sollte, um potentieller Gewalt aus dem Weg zu gehen.

Viele Betroffene schweigen über sexualisierte Gewalt, sie zeigen nicht an, sie reden nicht öffentlich, weil sie wissen, welche Reaktionen dies hervorruft, weil sie die Vorurteile selbst verinnerlicht haben und weil sie keine Kraft haben, sich dem victim blaiming zu stellen oder die Belastungen eines Strafverfahrens, wo Aussage gegen Aussage steht, durch zustehen. Manchmal wünschen sie sich auch einfach nur, dass jemand ihnen glaubt, dass Unrecht anerkannt wird oder ihnen zugehört wird, ohne sie selbst zu bewerten. Die häufigsten Fragen, die Betroffene hören, wenn sie sich trauen, über erlebte Gewalt zu reden, sind Fragen nach ihrem eigenen Verhalten. „Warum bist du dorthin gegangen?“, „Warum hast du dich nicht gewehrt?“, „Warum hast du dich denn so angezogen?“, „Warum hast du auch etwas getrunken?“ Solche Fragen bringen Betroffene zum Schweigen, sie verstärken Selbstzweifel und führen letztlich dazu, dass sexualisierte Gewalttaten nicht öffentlich werden.

Wir denken, es in an der Zeit einen Paradigmenwechsel einzuleiten. Über sexualisierte Gewalt reden zu können setzt voraus, dass ein gesellschaftliches Umfeld vorhanden ist, das Reden auch möglich macht und die Sicherheit gibt, damit auch ernst genommen zu werden und Unterstützung zu bekommen. Wir müssen als Gesellschaft, als Institutionen und Einzelpersonen Verantwortung übernehmen und durch unterschiedliche Maßnahmen und Statements deutlich machen: Wir dulden keine sexuelle Übergriffe, wir schreiten ein, wir beziehen Stellung, wir achten aufeinander. Dazu gibt es viele Möglichkeiten, die in der Kampagne aufgegriffen werden.

Faltblatt zur Kampagne

Postkarte zur Kampagne