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Psychosoziale Prozessbegleitung

Opfer von Straftaten, die als Zeug*innen bei der Polizei oder vor Gericht aussagen müssen, sind oftmals verunsichert, weil sie mit den Abläufen und Rahmenbedingungen eines Strafverfahrens nicht vertraut sind.

Um diese Situation zu erleichtern, hat seit dem 1.1.2017 jeder und jede Verletzte einer Straftat das Recht, die Unterstützung einer Psychosozialen Prozessbegleitung in Anspruch zu nehmen. In bestimmten Fällen gibt es einen Rechtsanspruch auf kostenlose Beiordnung durch das Gericht. Die Aufgabe der Psychosozialen Prozessbegleitung ist es, die Abläufe des Strafverfahrens durch altersgerechte Informationen zu erklären, die Betroffenen mit den Rechten und Pflichten von Zeug*innen vertraut zu machen, Bewältigungsstrategien bei möglichen Belastungen und Ängsten zu entwickeln und weitergehende Hilfsangebote zu vermitteln.

Für den Landgerichtsbezirk Bonn gibt es ein Netzwerk von speziell für diesen Tätigkeitsbereich ausgebildeten und anerkannten Psychosozialen Prozessbegleitern und –begleiterinnen aus unterschiedlichen Institutionen.

Um die Suche nach einer Begleitung zu erleichtern hat das Netzwerk einen Flyer mit den Erreichbarkeiten der Personen mit ihren speziellen Zuständigkeiten erstellt.

Dieser Flyer ist in der Beratungsstelle sowie online erhältlich.

Weitere Informationen über die Psychosoziale Prozessbegleitung finden Sie hier: https://www.opferschutzportal.nrw/psychosoziale-prozessbegleitung-finden.nrw.de/

Infofilm Psychosolziale Prozessbegleitung

Transkript

Titel: Informationen zur  psychosozialen Prozessbegleitung

00:00:01 Interviewerin
Ein Teil des Beratungsspektrums an der Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt bildet
die psychosoziale Prozessbegleitung. Das heißt, wenn Betroffene in ein Gerichtsverfahren
eintreten wollen oder schon darin stecken, brauchen sie Unterstützung. Frau Fröhlich, Sie
sind ausgebildete psychosoziale Prozessbegleiterin. Wie unterstützen Sie die Betroffenen?

00:00:28 Heike Fröhlich
Ziel ist es, individuelle Ängste und Belastungen vor, während und nach dem Strafverfahren
zu minimieren. Dabei ist hilfreich, zum Beispiel Stabilisierungsmethoden einzuüben oder
eben Belastungsstrategien mit den Betroffenen zu entwickeln, die dann eben hilfreich sind,
möglichst diese Belastungen zu reduzieren. Zusätzlich ist natürlich auch noch hilfreich
die Information darüber, wie sind denn überhaupt Abläufe in einem Strafverfahren und was
sind Rechte und Pflichten von Zeuginnen und Zeugen. Gegebenenfalls vermittel ich auch noch
weiter an andere Hilfsangebote.

00:01:11 Interviewerin
Also Sie haben gesagt, dass Sie vor, während und danach unterstützen, beraten. Nehmen wir
mal den Fall vor dem Gerichtsverfahren. Was würden Sie den Betroffenen da mitgeben? Wie nähern
Sie sich der Thematik? Ein Gerichtsverfahren ist eine große Sache für Menschen, die das bisher
nicht gehabt haben. Speziell bei sexualisierter Gewalt wird es noch schwieriger fallen.
Wie gehen Sie da vor?

00:01:37 Heike Fröhlich
Das ist sehr individuell unterschiedlich, was sich die Leute von mir wünschen an Hilfsangeboten
und eben was für die Leute hilfreich sein kann.

00:01:47 Interviewerin
Wenn Sie eine Person jetzt im Gericht begleiten, sitzen Sie selber mit direkt daneben, sitzen
Sie im Saal und schauen und unterstützen dadurch. Wie können Sie helfen?

00:02:01 Heike Fröhlich
Das eine ist natürlich schon mal die Überbrückung der Wartezeiten. Also einerseits natürlich
bis so ein Prozess überhaupt stattfindet. Das dauert ja sehr lange. Also das ist was, was Betroffene
häufig sehr belastet. Aber wenn das Verfahren läuft, auch dort wartet man ja oft vor dem Gerichtsaal
noch. Bis man dran ist zur Aussage, das ist natürlich schon mal sehr hilfreich, wenn jemand
dabei ist. Und das können ganz normale Sachen sein, die zur Ablenkung dienen. Ich habe auch
schon mit Menschen „Vier gewinnt“ gespielt oder sowas. Jetzt geht es gar nicht darum, über
den Prozess zu reden, sondern zu entlasten. Möglichst vorher daran zu erinnern, dass Sie wirklich
auch frühstücken. Oder wenn Sie es aus Grund von Belastungssachen nicht geschafft haben,
vielleicht noch irgendwie ein Brötchen zu besorgen. Also wirklich zum Teil sehr praktische
Dinge. Die Angst ist ja auch immer sehr groß, dem Täter oder Täterin zu begegnen. Das heißt,
das ist auch immer sehr hilfreich, dass man ja mit den Leuten gemeinsam reingeht und auch neben
denen sitzt. Sozusagen auch ein Stück wie ein kleines Schutzschild zwischen den Betroffenen,
Zeuginnen und eben dem Angeklagten oder der Angeklagten.

00:03:28 Interviewerin
Gibt es da praktische Hilfestellungen? Wie kann ich als Opfer sexualisierter Gewalt meinen
Täter neben mir ertragen? Was bieten Sie da an?

00:03:38 Heike Fröhlich
Das sind auch ganz praktische Dinge, je nachdem, vor was die Betroffenen Angst haben. Dass
man wirklich sagen kann, okay, wenn Sie reingehen, gucken Sie geradeaus aufs Fenster und konzentrieren
Sie sich dann vorne auf den Richter. Oder eben nochmal dieses, dass man wirklich so ein Stück
fast daneben sitzt. Gegebenenfalls, jetzt muss man immer so ein bisschen gucken, wie das im
Gericht funktioniert, die Sääle sind sehr unterschiedlich groß. Bei größeren kann man vielleicht
auch den ganzen Tisch nochmal ein Stück zur Seite rutschen, damit man nicht ganz so nah an dem
Angeklagten sitzt.

00:04:16 Interviewerin
Ja, noch ein bisschen mehr Distanz schaffen.

00:04:18 Heike Fröhlich
Räumliche Distanz in dem Fall, genau. Und diese Sachen, was die gefühlte Distanz angeht, da
sind zum Beispiel wirklich je nachdem, was man für Stabilisierungsübungen vorher eingeübt
hat, vielleicht auch hilfreich. Manchmal können das Atemübungen sein, manchmal können das
Sachen sein, sich auf was anderes konzentrieren.

00:04:40 Interviewerin
Spielen Sie denn so ein Gerichtsverfahren dann auch einmal im Kleinen durch?

00:04:44 Heike Fröhlich
Nein, ich bin auch keine Juristin, dürfen Sie nicht vergessen. Wichtig ist, ich bin im Grunde
genommen als Prozessbegleiterin eine weitere Institution der Opferhilfe. Ich bin weder
Beraterin in dem Fall, also psychosoziale Prozessbegleitung beinhaltet nicht Therapie,
auch nicht psychologische Beratung.

00:05:12 Heike Fröhlich
Es ersetzt auch keine anwältliche Vertretung.

00:05:18 Heike Fröhlich
Also das ist schon mal ganz wichtig. Ich bin eine Ermittlungsstelle, also die Information
gibt, wie läuft ein Strafverfahren ab. Was sind die Rechte und Pflichten von Zeugen? Es gibt
manchmal Begriffe, die für Betroffene gar nicht nachvollziehbar sind. Oder wenn zum Teil
Sachen besprochen werden im Gericht, während die noch draußen sind. Was passiert da gerade?
Das ist ja für Leute, die mit Strafprozessen sonst nichts zu tun haben, sind das ja oft große
Fragezeichen. Und manchmal auch wörtliche Begrifflichkeiten. Und der Rest ist eben, wie
gesagt, diese Ängste, mit denen man umzugehen hat.

00:05:59 Interviewerin
Sie haben eben betont, dass Sie keine Juristin sind. Welche Ausbildung haben Sie denn dann?

00:06:04 Heike Fröhlich
Als psychosoziale Prozessbegleiterin muss man Hochschulstudium haben oder eine Berufsausbildung
in einem psychologischen oder sozialpädagogischen, pädagogischen Bereich und muss zusätzlich
eine zertifizierte Qualifizierung machen. Also es ist eine Zusatzausbildung, die man absolviert.
Und anschließend muss man einen Antrag auf Anerkennung beim Oberlandesgericht stellen.
Da gehört noch diverses an anderen Formularen und was auch immer man da ausfüllen muss. Natürlich
auch ein spezielles Führungszeugnis und so. Und dann bekommt man die Anerkennung vom Oberlandesgericht,
die man auf unterschiedliche Gerichtsbezirke, also ich bin zugelassen oder habe es so beantragt,
für den Landesgerichtsbezirk Bonn.

00:06:57 Interviewerin
Wenn wir nochmal zurückkommen zur Prozessbegleitung. Sie hatten gesagt, dass Sie vor, während
und nach dem Gerichtsprozess für die Betroffenen da sind. Was würde sich nach einem Gerichtsverfahren
noch anschließen an gemeinsamer oder an Unterstützung für die Betroffenen von Ihrer Seite?

00:07:16 Heike Fröhlich
Das kann unter Umständen direkt nach dem Prozess sein, dass Leute noch irgendwas benötigen
für die Entlastung oder eben noch Fragen haben zum Prozess, Dinge nicht verstanden haben oder
eben zum Teil auch enttäuscht sind von dem Ausgang. Auch das kann sein oder nicht verstehen,
warum die Strafe so und so ausgefallen ist oder eben irgendwas, was in der Urteilsbegründung
war, vielleicht noch unklar ist. Bei manchen ist es aber auch so, die wollen erstmal nach Hause.
In der Regel haben wir auch besprochen im Vorfeld schon, was sie denn zu ihrer Entlastung nach
dem Prozess tun können. Und manche melden sich dann halt nochmal ein paar Tage später, um bestimmte
Dinge zu besprechen. Es könnte aber natürlich auch sein, sollte dann noch irgendwas nachkommen,
Revisionsverfahren oder irgendwas, dass man dann auch weiterhin zuständig ist.

00:08:19 Heike Fröhlich
Weil so ein Strafprozess ist ja wirklich anstrengend auch für Leute, die betroffen sind. In
der Regel, psychosoziale Prozessbegleitung ist ja für Menschen, die Opfer von schweren Gewalt-
oder Sexualstraftaten wurden. Also das heißt, die sind ja sowieso schon belastet durch das,
was passiert ist. Und solche Prozesse sind schon auch anstrengend für Betroffene.

00:08:44 Interviewerin
Das kann man sich in jeder Hinsicht vorstellen. Den Schritt zu wagen, das trauen sich wahrscheinlich
auch nicht viele Menschen zu. Es ist fantastisch, dass Sie diese Unterstützung leisten. Vielen
Dank, Frau Fröhlich, für das Gespräch.

00:08:58 Heike Fröhlich
Danke Ihnen.

Podcast Folge 3: Psychosoziale Prozessbegleitung

Heike Fröhlich

Heike Fröhlich, Psychosoziale Prozessbegleiterin

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