Rahmenbedingungen in NRW
In NRW gibt es seit dem Jahr 2001 an vielen Orten Modelle der anonymen/vertraulichen Spurensicherung. Der Schwerpunkt vieler Angebote lag bisher auf den Fällen sexualisierter Gewalt. Die Untersuchungen erfolgen v.a.in Kliniken, die Koordinierung erfolgt durch örtliche Kooperationen. Das Institut für Rechtsmedizin Düsseldorf hat zudem das Projekt iGOBSIS (intelligentes Gewaltopfer-Beweissicherungs- und –Informationssystem) aufgebaut, das auf einem webbasierten Dokumentationssystem beruht und die Befunddokumentation incl. Schulung in Kliniken und Praxen in NRW sicherstellt.
In NRW wurden seit der Entwicklung der Modelle zu ASS einige Maßnahmen auf den Weg gebracht:
Seit 2015 erfolgt auf Antrag eine Finanzierung örtlicher Kooperationen zur Anonymen Spurensicherung durch das MKJFGFI. Im Rahmen dieser Förderung sind die Koordinierung der Modelle, Schulungen, der Transport und die Lagerungen der Spuren sowie die Öffentlichkeitsarbeit und das eingesetzte Material abrechenbar. Ab dem Jahr 2025 erfolgt die Finanzierung der Transport- und Lagerungskosten im Rahmen der Vertragsvereinbarung durch die gesetzlichen Krankenkassen.
Seit 2017 gibt es landesweite Standards zur Befunddokumentation und Empfehlungen für Kliniken und Praxen zur Umsetzung von ASS, für den Umgang mit Opfern, für die Weitervermittlung ins Hilfesystem sowie für die Öffentlichkeitsarbeit. Diese Standards werden als Kriterien für geeignete Kliniken nach dem neuen kassenfinanzierten Abrechnungsverfahren vorausgesetzt.
Seit 2020 werden Spurensicherungssets durch das Innenministerium zentral zur Verfügung gestellt.
Bundesweites Gesetz: vertrauliche Spurensicherung als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen
Seit dem 01.03.2020 ist das Masernschutzgesetz auf Bundesebene in Kraft. Darin aufgenommen ist in § 27 und § 132k SGB V die Finanzierung der vertraulichen Spurensicherung nach sexualisierter und körperlicher Gewalt als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Finanziert werden soll danach zukünftig eine vertrauliche Spurensicherung nach erlebter Gewalt für Betroffene (Frauen, Männer, Kinder, divers) einschließlich Dokumentation, Laboruntersuchungen und Aufbewahrung sowie Transport der Befunde. Das Gesetz wird auf Länderebene umgesetzt.
Bisher haben – soweit bekannt – einige Bundesländer diese gesetzlichen Bestimmungen umgesetzt (Niedersachsen, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Bremen). In NRW wurde von 2021-2024 verhandelt. Eine Vertreterin des Arbeitskreises Opferschutz war in beratender Funktion an diesen Verhandlungen beteiligt. Das Kabinett in NRW hat am 17. Dezember 2024 den Entwurf der Verwaltungsvereinbarung über die Erbringung von Leistungen bei vertraulicher Spurensicherung nach § 27 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. § 132k SGB V gebilligt. Die Unterzeichnung des Vertrages durch die Vertragspartner ist für Mitte Februar 2025 vorgesehen.
Anspruchsberechtigt sind zukünftig Betroffene sexualisierter und körperlicher Gewalt, die in einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind sowie Anspruchsberechtigte nach § 264 SGB V und Soldat*innen der Bundeswehr (mit Anspruch auf Heilfürsorge nach § 69a des Bundesbesoldungsgesetzes).
Näheres zu den Regelungen findet sich in dem Papier „Neuerungen zum Thema ASS in NRW“ und in den vom Land veröffentlichten Vertragsunterlagen:
Verwaltungsvereinbarung über die Erbringung und Vergütung von Leistungen bei vertraulicher Spurensicherung nach § 27 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. § 132k SGB V –
Das Bundesgesetz vernachlässigt jedoch wichtige Aspekte der medizinischen Versorgung und traumasensiblen Behandlung von Gewaltbetroffenen. Zudem werden nicht alle Zielgruppen berücksichtigt (privatversicherte oder nicht versicherte Betroffene). Dazu werden dringend neue Regelungen benötigt. Daher werden für eine umfassende Versorgung von Gewaltbetroffenen neue gesetzliche Regelungen benötigt.
Der Bundesverband Frauen gegen Gewalt e.V. (bff) hat dazu in den Jahren 2021 und 2022 grundlegende Papiere veröffentlicht, die auf notwendige Veränderungen hinweisen.
Im Juni 2023 wurde eine social-media Kampagne zur medizinischen Akutversorgung mit dem Titel #HilfenachVergewaltigung durchgeführt und ein Appell an den Bundesgesundheitsminister zur notwendigen Veränderung der Versorgungslage gerichtet.
Hierzu gibt es bisher noch keine politischen Lösungen.